Sankt Antonius mit dem Schwein

St. Antonius, der Eremit, – um diesen Heiligen handelt es sich – war um die Mitte des 3. Jahrhunderts in Mittelägypten geboren. Er machte schon als Knabe die Bekanntschaft der Einsiedler, die unweit der Besitzungen seiner recht begüterten Eltern in Felshöhlen lebten, wohin sich manche wegen der Christenverfolgungen zurückgezogen hatten und dort verblieben waren. Der Umgang mit ihnen brachte Antonius dazu, nach dem frühen Tod seiner Eltern auf die ererbten Reichtümer zu verzichten und sich dem Einsiedlerleben in der Wüste zu widmen. In späteren Jahren sammelte er eine Vereinigung von Eremiten um sich, als deren väterlicher Leiter er hochbetagt im Jahre 356 starb. So lautet auch sein kirchlicher Titel zu seinem Fest am 17. Januar „Antonius Abbas“.

Aus seinem Grab in der Wüste kamen seine Gebeine erst nach Alexandria, dann nach Konstantinopel. Nach der Überlieferung wurden sie von einem byzantinischen Herrscher einem französischen Ritter geschenkt und gelangten gegen 1070 nach Frankreich in die Kirche eines kleinen Dorfes der Landschaft Dauphine, das schon bald darauf den Namen Sainte-Antoine erhielt, im heutigen Departement Tsere gelegen. Damals bedeutete eine solche „Translation“ der Gebeine eines Heiligen ein geradezu epochales Ereignis im Hinblick auf die Verehrung, die man in jenen Zeiten den Reliquien der Heiligen entgegenbrachte. Wie man bereits im frühen Christentum die Gräber der Märtyrer zum Gebet besuchte, so kamen bald viele Hilfesuchende zum Grab des Mönchsvaters Antonius, der schon früh große Verehrung genossen hatte und zu seinen Lebzeiten als weiser Ratgeber von bedeutenden Personen seiner Zeit aufgesucht worden war. Der Zustrom mehrte sich, als der Sohn des französischen Adligen Gaston Guerin am Grab des Heiligen Genesung von der Krankheit des Antoniusfeuers gefunden haben sollte.

Quelle: Kreis Ahrweiler

Antoniusfeuer

Selten sieht man noch heutzutage zur Erntezeit aus den Roggenähren jene unheimlichen braunviolett-schwarzen Mutterkörner herausragen, die Mutterkornpilze (claviceps purpurea), die auf Mensch und Tier sehr schädlich wirken können, wenn sie mit dem Getreide gemahlen und genossen werden. Dies hat in alten Zeiten häufig zu schlimmen Massenerkrankungen geführt. Sie gingen einher mit Gefäßkrämpfen der Beugemuskeln, mit Rötungen an den Extremitäten, besonders an Fingern und Zehen, die oft in fressende Geschwüre ausarteten und die befallenen Glieder durch Zersetzungen und Umwandlungen des Blutfarbstoffs bräunlich-schwarz, wie verbrannt, erscheinen und gar verfaulen ließen. „Ignis sacer“ – „Heiliges Feuer“ nannten die Römer diese Krankheit, „Antoniusfeuer“ hieß sie bei unseren Altvorderen. Diese Namengebung deutet auf eine auch anderweitig zu beobachtende Erscheinung: Man pflegte mit der Krankheit den Namen des Heiligen zu verbinden, der als Fürbitter gegen sie angerufen wurde. So nannte man Fallsucht und ähnliche krampfartige Anfälle „Veitstanz“ oder „St.-Veltens-Plag“, weil St. Veit und St. Valentin dagegen helfen sollten, „Urbans-Plag“ hieß aus ähnlichem Grunde die Gicht. Und da St. Antonius als Helfer gegen die oben angeführte Krankheit galt, bekam sie den Namen „Antoniusfeuer“.

Heute ist sie, von der Medizin „Ergotismus gangraenosus“ benannt, fast unbekannt. Erkenntnis ihrer Ursachen und verbesserte Reinigung des Saatgutes haben ihr den Garaus gemacht.

Bevor es im 17. Jh. dem französischen Arzt Tuillier gelungen war, im Mutterkornpilz die Ursache der Krankheit zu finden, stand man ihrer rätselhaften Ursache und ihren Auswirkungen recht hilflos gegenüber. Immer wieder flackerte die Krankheit in den Roggen anbauenden Gebieten Europas auf, besonders dann, wenn in schlechten Jahren die Brotfrucht zu frisch gemahlen und genossen wurde, bevor das Mutterkorngift durch längere Lagerung seine Wirksamkeit weitgehend verloren hatte. Von einer erfolgreichen ärztlichen Therapie weiß man nur wenig. Ein Straßburger Arzt berichtet um 1517 von über 100 Amputationen, die er an Erkrankten vorgenommen habe. Man hat herausgefunden, daß auf dem Tafelbild des Isenheimer Altars, das den Besuch des hl. Antonius bei dem Einsiedler Paulus darstellt, eine Reihe von Heilpflanzen abgebildet ist, von denen man annimmt, daß sie zur Bereitung von Heilmitteln gegen die Krankheit des Antoniusfeuers Verwendung gefunden haben: Breiter Wegerich (Plantago major), Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Klatschmohn (Papaver rhoeas), Eisenkraut (Verbena officinalis), Knolliger Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus) = St.-Antoni-Röslein, Drüsenwurz = herba Divi Antonii (Scrophularia aquatica), Taubnessel (Lamium album), Quecke (Triticum repens). Man weiß von einem Antoniusbalsam, Antoniuswasser und Antoniuswein, der den Kranken gereicht wurde, nachdem er den kirchlichen Segen – oft durch Hineintauchen einer Antoniusreliquie – erhalten hatte. Dies alles zeigt, daß die geplagten Menschen wirksamen Trost und Hoffnung auf Genesung kaum anders als im Gebet finden konnten. Man pilgerte von nah und fern zum Grab des Heiligen nach Sainte-Antoine, um auf seine Fürsprache Heilung zu erbitten:

O Heiliger Herr Antoni gross
Erwirb uns gnad on underlass
Aplass der Sund Gots huld und gunst
Behuf uns vor deim schweren prunsst!

Quelle: Kreis Ahrweiler

Die Antoniter

Der gewaltige Zustrom von Pilgern ließ bald das Problem der Beherbergung und sonstigen Betreuung der vielen Kranken entstehen. Unter Beteiligung des oben genannten französischen Edelmanns gründete man eine Bruderschaft von Laien, welche sich dieser Aufgaben annahm. Nach päpstlicher Bestätigung von 1095 entstand aus der Laienvereinigung der „Antoniusbrüder“ nach und nach ein geistlicher Orden, der die Augustiner-Regel annahm. Die furchtbaren Wirkungen und die Verbreitung der Krankheit spiegeln sich in der Tatsache, daß die Bruderschaft in verhältnismäßig kurzer Zeit bereits hunderte von Außenstellen hatte, alle dem Kloster in Sainte-Antoine unterstellt: von Portugal bis zur Düna, von Schottland bis nach Ungarn und darüber hinaus. Noch vor 1200 entstand die erste deutsche Niederlassung in Roßdorf bei Hanau, später in Höchst am Main; Alzey, Isenheim (Elsaß), Memmingen, Grünberg (Oberhessen), Köln u. a. m. hatten größere Niederlassungen, Präzeptoreien genannt, zu denen zahlreiche andere „Antoniushäuser“ gehörten. Vielfach wurden bei ihnen zur Beherbergung von Kranken auf dem Wege nach Sainte-Antoine oder zu deren Pflege am jeweiligen Ort Hospitäler gegründet, denen die Ordensregel die Aufnahme der am Antoniusfeuer Erkrankten ausdrücklich vorschrieb. Die Erstellung dieser Häuser, der Unterhalt der Kranken und des Pflegepersonals erforderten naturgemäß namhafte Mittel. So dienten diese Häuser auch als Ausgangs- und Stützpunkt der „Terminierer“ (Almosensammler). Kenntlich an dem blauen T-förmigen Antoniuskreuz, das sie an ihrem schwarzen Gewand trugen, durchstreiften sie mit päpstlichen Empfehlungen, oft eine Reliquie (ein „Heiltumb“) mit sich führend, alljährlich terminierend

ihr Gebiet und trugen viel zu dem späteren großen Reichtum des Antoniterordens bei. Auch in der Eifel erschienen sie; für den Kreis Bitburg-Prüm z. B. überliefert von Wetteldorf (wo auch ein Antoniuskapellchen stand) und von Feuerscheid. Die Einwohner hatten sich z. T. mit Haus und Hof der Antoniterniederlassung in Roßdorf bzw. Höchst zinspflichtig gemacht. Wenn von dort alljährlich der Terminierer mit dem „löblichen Heiltumb des gutten St. Antonius“ erschien, entrichteten sie einen Zins, damit der Heilige sie behüte vor Leiden, Krankheit und Betrübnis, insbesondere vor der jämmerlichen St.-Antonius-Plag. Die Wohlhabenheit des Ordens gründete sich noch auf ein weiteres, 1298 den Antonitern gewährtes Privileg: Die Haltung und Verwertung der „Antoniusschweine“, die überall bekannt waren. Sie kamen dem Orden zum großen Teil als milde Gaben zu, indem mancher Haushalt jährlich oder von jedem Wurf ein Schwein spendete. Aus vor-reformatorischer Zeit sind uns viele Bilder, oft in Einblattdrucken, erhalten, aus denen wir sehen, daß die vom Antoniusfeuer Befallenen oder Bedrohten Schweine spendeten.

Da sieht man vor St. Antonius einen Kranken knien, dem aus einer Hand das böse Feuer hervorflammt, während die andere auf ein zu opferndes Schwein hinweist. Daß man bei dieser Krankheit mit ihren gangraenösen Formen das Schwein wählte, mag abgesehen von seiner uralten Eigenschaft als Opfertier – auch mit einem aus antiker Zeit überkommenen Glauben zusammenhängen: Dämonen galten als Verursacher der Krankheit, und man sah das Schwein mit seinem beliebten Wühlen in Erde und Morast (dem Sitz gewisser Dämonen) als ein mit dämonischen Wesen in Verbindung stehendes Tier an, in welches ein Dämon sogar gebannt werden konnte. Dies vielleicht auch in Erinnerung an Matthäus 8,28 ff., wo die von Christus im Gebiet der Gerasener ausgetriebenen bösen Geister in eine „Herde Sau“ fuhren, die sich dann „ins Meer stürtzte und ersoffen“. Soweit die Antoniusschweine nicht die Stallungen und Weiden des Ordens bevölkerten, liefen sie vielfach in den Ortschaften frei umher, kenntlich an einem Glöckchen, das sie um den Hals trugen. Sie standen gleichsam unter „öffentlich-rechtlichem“ Schutz. Von den auf die Straße geworfenen Abfällen ernährten sie sich und leisteten auf ihre Weise einen Beitrag zur „Straßenreinigung“. Als sich im späteren Mittelalter die städtischen Behörden aus gesundheitlichen Gründen diesem Problem mehr zuwandten, unterlag das muntere Treiben der Antoniusschweine gewissen Einschränkungen. Immerhin durften in Städten wie Würzburg noch 14 Schweine in gewohnter Weise umherlaufen, in München deren 2, in Bamberg 6 (1481), in Lübeck gar noch 20 – dank der anerkannten caritativen Tätigkeit des Ordens. Die Bedeutung der Antoniter ging im späteren Mittelalter zurück. Das epidemische Wüten des Antoniusfeuers hatte nachgelassen, der Bauernkrieg den Schweinebestand dezimiert, und die Säkularisierungen der Reformationszeit beendeten die Existenz zahlreicher Ordensniederlassungen. Die Generalpräzeptorei Isenheim, die für ihre Antoniterkirche in den Jahren 1512 bis 1516 den „Isenheimer Altar“, eines der bedeutendsten deutschen Kunstwerke, durch den Meister Matthias Grünewald malen ließ, wurde mit ihren Besitzungen gegen Ende des 18. Jhs. dem Malteserorden zugewiesen. Die Niederlassung in Köln von 1298 endete bald nach 1800 durch die Säkularisation ; von ihr steht heute noch in der Schildergasse die Antoniterkirche der evangelischen Gemeinde, unweit vom „Antoniterhof“.

Quelle: Kreis Ahrweiler


St. Antonius, Beschützer des Viehs

Geblieben ist dem hl. Antonius Eremita aber das Schwein. Auf zahllosen Bildern des Heiligen, auf denen er mit seinem T-förmigen Kreuzstab, an dem oft zwei Glöckchen hängen, zu sehen ist, schmiegt es sich vertrauensvoll an ihn, unter seinem schwarzen Abtsmantel hervorschauend. Aus dem oben Ausgeführten geht die Herkunft dieses Heiligenattributes hervor. Der T-förmige Stab, ursprünglich wohl der Wanderstab des Heiligen, war in Form eines stilisierten Krückstocks Wahrzeichen und Wappen des Antoniterordens – gleichsam als Bild der Hilfe, die den Erkrankten und durch das „Feuer“ Verstümmelten geleistet wurde. Wie er den meisten Darstellungen St. Antons beigegeben ist, führten ihn auch die terminierenden Brüder mit sich und machten sich bei ihren Kollekten mit den anhängenden Glöckchen bemerkbar.

Das Antoniusschwein ließ seinen Herrn im Lauf der Jahrhunderte über dessen Rolle als Helfer in schlimmer Krankheit hinaus zum Beschützer des Viehs, vor allem der Schweine werden. Auch in dieser Beziehung schrieb man dem Heiligen große Macht zu. Er wurde besonders bei Erkrankungen und bei operativen Eingriffen wie der Ferkelkastration angerufen. Gern wurde ihm ein Ferkel geweiht, das man mit den ändern im eigenen Stall aufzog und später einem guten Zweck zuführte, sei es realiter oder indem man es „zurückkaufte“, d. h. den Kaufpreis dem Heiligen opferte. Ihm zu Ehren wurden auch geräucherte Schweinsköpfe gespendet, die man in einer Opferkiste sammelte und dann verkaufte. Der besondere Wert des Schweines für den Haushalt steigerte die Bedeutung seines Beschützers und macht es verständlich, daß er in den ländlichen Gegenden auch unserer Heimat besondere Verehrung genoß.

Es entstanden örtliche St.-Antonius-Bruderschaften, die sich die Feier seines Tages besonders angelegen sein ließen, der vielfach mit Hochamt und Predigt begangen wurde. Alte Missalien (Meßbücher) weisen sogar eine „missa contra ignem“ und eine eigene Sequenz zu seiner Ehre auf, was z. B. vom ehemaligen Kanonikerstift Münstereifel überliefert ist. Im alten Herschbach gab es tags nach seinem Fest eine Spende für die Armen. Von Eckendorf heißt es 1666, daß man ihm zu Ehren an seinem Festtag nach Adendorf pilgerte. In Altenahr wird eine Antonius-Bruderschaft 1428 erwähnt; 1506 wurde eine solche in Ahrweiler gegründet. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß der im 17. Jh. noch bezeugte, für fünf Meßfeiern dotierte Antoniusaltar der St-Laurentius-Pfarrkirche zu jener Bruderschaft in Beziehung stand, desgleichen die alte Tonfigur des Heiligen, die Dr. Joerres ins Ahrgaumuseum hinübergerettet und uns so erhalten hat.

Quellen: Kreis Ahrweiler & Ecco le Marche